Fotokurs | Lektion 1: Nie wieder Automatik-Sklave!

Woohoo, hier ist der erste Teil unseres Fotokurses, wie ich euch bereits angekündigt habe! Also, packt eure DSLR aus (für Digital Single Lens Reflex, also eure digitale Spiegelreflex) und los gehts! Oder, wie unser ehemaliger Bundespräsident Lübke sagen würde: Equal goes ist loose! (Ja, er hatte eine ganz eigene Interpretation von englischer Sprache…)

Die erste Lektion heute wird etwas länger und ich hoffe ihr bleibt dran. Der Mann und ich haben ewig rumüberlegt, ob man diesen ersten Teil nicht irgendwie teilen könnte, um die Leser nicht gleich von Anfang an zu überfordern, aber die Funktionsweise der Kamera und die Modi und Einstellungen hängen so eng zusammen, dass man sie einfach nicht getrennt behandeln kann.

Starten wir also mit eurer Kamera. Unser Prachtstück ist eine Canon EOS 550D, ein solides Einsteigermodell, das schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat (und auch mal einen Köpfer in wadenhohen Schnee überlebt hat). Die Funktionsweisen und Einstellmöglichkeiten unterscheiden sich jedoch bei den verschiedenen Herstellern und Modellen kaum.

Foto1

 

Euer wichtigstes Tool: das Modus-Wahlrad! Es sitzt bei so gut wie allen Kameras oben drauf, meistens rechts, manchmal links. Die Kleinen Icons und Abkürzungen darauf sind manchmal unterschiedlich, haben jedoch so ziemlich alle die gleiche Bedeutung. Jetzt kommt eine ganz wichtige Information, also aufgepasst: Ihr könnt direkt alle Icons vergessen! Das einzige was ihr braucht, sind die Buchstaben, denn damit stellt ihr ein, wer von den 5 Freunden gerade das Sagen hat (dazu kommen wir gleich noch). Die wichtigsten Buchstaben sind M A T oder M A S – je nach Hersteller unterschiedlich. Mit diesen Einstellungen kannst du der Kamera sagen, was sie machen soll und befreist dich von der Zwangsherrschaft der automatischen Einstellungen, bei denen die Kamera dein Bild diktiert! Yay! Revolution!

Foto3

 

 

M – klar, steht für Manuell. Damit sagst du der Kamera komplett alles was sie machen soll, musst aber alle Einstellungen selbst vornehmen – perfekt für den hardcore Kontrollfreak in dir, wenn du das letzte Bisschen aus deinen Bildern herauskitzeln willst.

A – steht für Aperture. Wasn das? Aperture ist englisch, heißt Blende und ist Freund Nummer 2. Damit sagst du der Kamera welche Blende du verwenden möchtest und sie stellt die Belichtungszeit (unser Freund Nr. 3) automatisch ein.

S bzw. T – stehen für „Shutter“ oder „Time“ und du gibst damit die Belichtungszeit (Freund Nr. 3) vor. Die Blende sucht dann die Kamera für dich aus.

 

So, wer sind jetzt diese ominösen 5 Freunde? Das sind alle Elemente an eurer Kamera, die ihr verstehen müsst, um extragute Fotos machen zu können.

Brennweite

Blende

Belichtungszeit

Sensorempfindlichkeit

Weißabgleich

 

Jahaaa, ich weiß, klingt alles super fad und theoretisch – ist es leider auch. Aber: Wenn ihr wisst wie die 5 Freunde funktionieren, könnt ihr jede Kamera bedienen, die euch über den Weg läuft, von der alten Leica bis zur Multimegapixel-DSLR!

1. Freund: die Brennweite

Das ist das, was der Laie unter „Zoom“ kennt: wenn du zoomst, änderst du die Brennweite. Angegeben wird sie in Millimetern. Je kleiner die Zahl, desto weitwinkliger das Bild, also desto mehr geht aufs Bild. Je größer die Zahl, desto telelastiger, also enger der Bildausschnitt. Die Brennweite hat auch Einfluss auf die Schärfentiefe, also wie viel im Bild scharf ist. Weil das aber auch viel mit der Blende zu tun hat, erklären wir das noch etwas genauer weiter unten. Die Brennweite hängt ganz vom Objektiv ab das du benutzt. Dazu kommen wir dann ein ander mal. Welches Objektiv ihr habt, seht ihr an den kleinen Zahlen, die direkt auf dem Objektiv stehen.

focal length 18mm

Brennweite 18/34/55mm im direkten Vergleich

 

2. Freund: die Blende

Nein, die Sonnenbrille brauchen wir jetzt nicht. Aber jetzt wirds leider auch ein bisschen kompliziert. Die Blende ist ein Bauteil im Objetiv, das so ähnlich funktioniert wie die Iris in deinem Auge: sie öffnet oder schließt sich und lässt dadurch wenig oder viel Licht durch. Sie ist eine von mehreren Möglichkeiten zu bestimmen, wie hell das Bild wird. Fast noch wichtiger ist aber, dass du mit der Blende einstellen kannst, wie viel von deinem Bild scharf wird, also die Schärfentiefe. Das hinterlistige dabei: je mehr vom Bild scharf sein soll, desto kleiner muss die Blendenöffnung sein, bedeutet aber auch: weniger Licht kommt durch.

Noch heimtückischer wirds, wenn man sich anguckt, in welchen Einheiten Blenden angegeben werden: es gibt keine! Wir erklären jetzt auch nicht warum, das ist auch nicht so wichtig (der Mann erzählt mir grad irgendwas von Strahlengangdurchmesser im Verhältnis zur Brennweite, aber ich habs nicht verstanden), nur so viel: es handelt sich um eine Zahl ohne Einheit. Je kleiner die Zahl ist, desto mehr Licht kommt durch das Objektiv. Ja verwirrend, ich weiß, aber so isses halt.

Beispiel: Bei Blende 1,8 ist die Blende weiter geöffnet (viel Licht kommt durch) als bei Blende 16 (wenig Licht kommt durch).

Foto2

Beobachtet mal, was bei Änderung der Blende mit dem Hintergrund passiert:

Blende 5.6/11/22 im direkten Vergleich

Blende 5.6/11/22 im direkten Vergleich

Weil aber beim Verstellen der Blende auch mehr oder weniger Licht durchs Objektiv gelangt, musst du auch gleichzeitig die Belichtungszeit verändern, damit dein Bild nicht zu dunkel oder zu hell wird:

3. Freund: die Belichtungszeit

Jetzt wirds wieder einfacher! In deiner Digitalkamera sitzt ein Sensor, der das Foto aufnimmt. Vor dem Sensor sitzt ein kleiner schwarzer Vorhang: der Verschluss. Geht der auf, fällt Licht auf den Sensor und dein Bild wird „belichtet“. Je länger der Verschluss auf ist, desto mehr Licht fällt auf den Sensor. Die Zeit, wie lange der Verschluss offen bleibt, heißt Belichtungszeit und wird in Sekunden angegeben. Klaro: je länger die Belichtungszeit, desto heller das Bild. Obacht! Fallstrick: Bewegte Objekte verschmieren bei längerer Belichtungszeit. Außerdem ist es schwierig die Kamera bei längerer Belichtungszeit in den Händen so ruhig zu halten, dass nichts verwackelt. Die meisten Menschen können eine Kamera aus der Hand bis zu einer fünfzigstel Sekunde (1/50s) lang einigermaßen still halten, danach besteht die Gefahr, dass euch das Bild verwackelt. Dann ist ein Stativ angesagt.

Belichtungszeiten 1/6s, 1/25s und 1/100s im direkten Vergleich

Belichtungszeiten 1/6s, 1/25s und 1/100s im direkten Vergleich

4. Freund: Sensorempfindlichkeit

Auch ganz easy zu verstehen! Hinter dem Sensor sitzt ein Verstärker, der das Bildsignal des Sensors verstärkt. Kannst du dir vorstellen wie bei deiner Musikanlage: je mehr du den Verstärker aufdrehst desto „lauter“ – also heller – wird das Bild. Wer schon mal einen Verstärker ganz aufgedreht hat, der weiß: irgendwann fängts an zu rauschen. So auch beim Bild. Der Hauptgrund warum z.B. deine Discofotos so krisselig aussehen. Die „Lautstärke“ des Verstärkers wird in ISO angegeben. Normale DSLRs lassen sich in der Regel im Bereich von ISO 100 (wenig Verstärkung, wenig Rauschen) bis ISO 6400 (viel Verstärkung, viel Rauschen) einstellen.

ISO 100/800/1600 im direkten Vergleich

ISO 100/800/1600 im direkten Vergleich

5. Freund: Weißabgleich

Schon mal aufgefallen, dass das romantische Kerzenlicht, bei dem du dein blind Date abservierst, gelblicher aussieht, als die Scheinwerfer des Audis, der dich gerade auf der Autobahn bedrängt? Wir Ladies wissen ja schon immer: es gibt nicht einfach nur „weiß“. Es gibt Creme, Eierschale, Champagner, Ecrú… Aber damit eure blütenweiße Unschuld nicht pissgelb aussieht, nur weil sie neben einer Kerze steht, müsst ihr der Kamera sagen, welches „Weiß“ jetzt wirklich weiß ist. Das machst du mit dem Weißabgleich. Die meisten Kameras besitzen Voreinstellungen für die gängigsten Situationen wie Kunstlicht, Sonnenlicht, Blitzlicht etc. Außerdem kann man den Weißabgleich bei etwas besseren Kameras anhand der Farbtemperatur einstellen. Je geriner die Farbtemperatur, desto gelblicher das Licht, z.B. 2700°K (ja, Kelvin) für Kerzenlicht, oder 6500°K für Tageslicht. Der Kamera gibst du an, welche Farbtemperatur gerade herrscht: wenn dein Bild noch zu gelb ist, musst du die Farbtemperatur runter schrauben.

Weißabgleich für bewölkter Himmel (6000K), Glühbirnenlicht (3200K) und Neonlicht (4000K) im Vergleich

Weißabgleich für bewölkten Himmel (6000K), Glühbirnenlicht (3200K) und Neonlicht (4000K) im Vergleich

Mash up!

So, jetzt haben wir euch die 5 Freunde alle einzeln vorgestellt. Aber eigentlich gibts die nur in der Crew, denn die sind echt ganz dicke Buddies und hängen immer nur zusammen ab, haben quasi ne WG und beeinflussen sich ständig gegenseitig.

Wir haben alle Beispielbilder vorerst mit einem 18-55mm Zoomobjektiv aufgenommen. Das ist ein einfaches Standard-Objektiv, was die meisten von Anfang an besitzen. So könnt ihr direkt mitmachen und euch anhand unserer Erläuterungen ausprobieren. Zugegeben: Unser Setting ist nicht besonders hübsch, aber das muss es jetzt erstmal auch nicht sein. Es ist funktional gehalten, um euch alles erklären zu können. Die Winkekatze ist dafür da, um euch bei den verschiedenen Einstellungen zu demonstrieren, was mit sich bewegenden Objekten passiert. Ihr könnt das Setting zum Üben ganz einfach mit irgendwelchem Kram nachbauen, den ihr grad rumliegen habt. Am besten ein Teil, das sich konstant bewegt mitverwenden. Falls ihr keine Winkekatze habt tuts auch ein Pendelmetronom, Aufzieh-Karussell, Solarspielzeug… Ganz nützlich ist es auch, wenn ihr ein paar Gegenstände in die Tiefe verteilt, so könnt ihr sehen, wie scharf (oder unscharf) der Hintergrund wird, wenn wir Einstellungen ändern.

Beispiel: Katzenportrait

Schon mal versucht so ein richtig schönes Portrait von einer Winkekatze mit verschwommenem Ikea-Regal im Hintergrund zu schießen? Wir schon. Dabei arbeiten vor allem Brennweite, Blende und Belichtungszeit zusammen:

Beispiel Herangehensweise an ein Motiv

Beispiel Herangehensweise an ein Motiv

Wie fange ich an? Erstmal musst du der Kamera sagen, wohin sie fokussieren soll, also welches Objekt im Bild scharf sein soll. Dazu kannst du entweder den manuellen Fokus wählen (bei manchen Kameras gibt es dazu direkt am Objektiv einen Schalter, bei anderen stellst du das im Menü ein), oder du verlässt dich auf den Autofokus. Um ihm zu sagen, wo genau er scharf stellen soll, kannst du ihm sagen, welches Fokusfeld er benutzen soll. Das sind kleine Bereiche im Bild, auf die die Kamera automatisch scharf stellt. Wie du ein bestimmtes Fokusfeld auswählst, hängt von deinem Kameramodell ab – ein Blick ins Handbuch hilft dir.

Los geht’s – natürlich im M-Modus, also komplett manuell. Du willst ja lernen, wie du welchen Freund einstellst und was der mit den anderen Freunden macht!  Also am besten du versuchst erstmal, die richtigen Kamera-Einstellungen abzuschätzen (ich weiß, am Anfang ist das eher Glückspiel, aber irgendwo muss man ja anfangen…)

Wichtigste Frage dabei: Wie hell ist es? Wir haben abends bei Lampenlicht im Wohnzimmer fotografiert – schon mal nicht die hellste Situation. Unsere Sensorempfindlichkeit war (eher zufällig) noch auf ISO200 eingestellt. Belichtungszeit stand noch auf 1/100s. Die Blende haben wir schon so weit wie möglich (f5.6) aufgemacht, wir wissen ja, dass wir nicht soo viel Licht haben. Probieren wir mal, was dabei rumkommt, wenn wir einfach mal ein Bild machen:

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Okay – irgendwie noch nicht das glamouröse Winkekatzenportrait, das wir uns erhofft hatten. Das Bild ist zu dunkel, zu gelbstichig und die Katze geht zwischen all den anderen Dingen im Bild völlig unter. Wichtig jetzt: ruhig bleiben, nicht nervös werden und immer ein Ding nach dem anderen lösen. Also zuerst mal die Katze etwas näher heranholen, also eine größere Brennweite einstellen („Reinzoomen!“).

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Zwar immer noch recht düster, aber die Katze nimmt jetzt mehr Platz im Bild ein und gleichzeitig verschwimmt der Hintergrund, weil wir ja eine offene Blende (f5.6) und größere Brennweite (55mm) gewählt haben. Nächstes Projekt: Bild heller machen. Dafür könnt ihr entweder die Belichtungszeit (Freund 3) oder die ISO (Freund 4) variieren. Weil wir heute erst sechs Tassen Kaffee getrunken und deshalb eine recht ruhige Hand haben, verlängern wir zuerst die Belichtungszeit von einer hundertstel (1/100) auf eine vierzigstel (1/40) Sekunde. Können wir gerade noch halten, ohne das Bild zu verwackeln – für alles andere bräuchten wir dann ein Stativ.

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Hm. Immer noch zu dunkel. Also rauf mit der Sensorempfindlichkeit! Steht momentan noch bei ISO200, wird von uns aber forsch auf ISO800 hochgedreht. Klick! Wir machen wieder ein Bild.

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Joaa. Hat viel schönes. Aber so hunderprozentig ist das irgendwie noch nicht. Alles so gelb. Heimelig, aber irgendwie nicht das was wir wollen. Also ran an den Weißabgleich, der steht nämlich immer noch auf Tageslicht (bei uns angezeigt durch ein Sonnensymbol). Da wir aber abends und bei Lampenlicht fotografieren, stellen wir ihn auf das Symbol für Glühlampen und sagen der Kamera damit, dass das leicht gelbliche Licht eigentlich weiß sein soll. Klick.

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Sooo. Top. Das ist doch ein solides Winkekatzenbild, das sich auf der Titelseite der Winkekatzen-Vogue gut machen würde! Alles andere würde ab jetzt in der Bildbearbeitung passieren, um die Letzten Hautunreinheiten der Katze wegzuretuschieren oder den Bildkontrast etwas zu verstärken. Soll jetzt noch kein Thema sein, aber mit ein paar Handgriffen im Bildbearbeitungstool eurer Wahl könnte das Bild dann so aussehen:

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Also – was wollten wir damit zeigen? Dass ein gut belichtetes Bild kein Ding der Unmöglichkeit ist, auch wenn du deine Kamera komplett ohne elektronische Hilfsmittel bedienst. Der Trick ist eigentlich nur, immer eine Sache nach der anderen zu lösen – irgendwann geht dir das dann so in Fleisch und Blut über, dass du ohne großes Nachdenken deine Kamera perfekt für schöne Bilder einstellst.

Kurzfassung

Manuelle Kameraeinstellungen rocken, wenn du genau kontrollieren willst, wie dein Foto später aussieht.

Kurze Brennweite = viel Raum und viel Schärfentiefe.

Kleine Blendenzahl = große Blendenöffnung = geringere Schärfentiefe und mehr Helligkeit.

Lange Belichtungszeit = helleres Bild, aber mehr Bewegungsunschärfe und die Gefahr zu verwackeln.

Hohe ISO = helleres Bild, aber mehr Bildrauschen.

Falscher Weißabgleich = mein Bild hat nen komischen Farbstich.

 

Und? Gehts euch noch gut? Raucht der Kopf? Oder die Kamera? Ich glaube ja ,dass ihr das schon ganz gut hingekriegt habt! Wenn nicht, woran lag es? Irgendetwas nicht verstanden? Braucht ihr mehr Beispiele? Etwas nicht verständlich erklärt? Dann sagt uns bescheid! Wir haben den Anspruch einen absolut easy-peasy-Fotokurs zu basteln, also werden wir eure Anregungen gerne aufnehmen! Wir würden uns freuen eure Fotos zu sehen: ladet sie auf Instagram, Twitter oder Facebook mit dem Hashtag #bildervogel hoch.

Preview

Ich bin doch jetzt schon Vollprofi, was soll denn noch kommen? Nachdem wir euch heute den Vollmanuellen Modus (M) gezeigt haben, kommt nächstes mal dran, was man so mit den beiden anderen Modi (A und S/T) so basteln kann. Also: stay tuned!

 

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